An Kenntnissen über HR-Management-Software mangelt es nicht. Ausgearbeitete Strategien zum Einsatz von HR-IT fehlen jedoch in vielen Unternehmen. Woran liegt das? Und wie sollte man bei der Entwicklung einer HR IT Strategie am besten vorgehen? Ein Leitfaden mit Checkliste von Peter Keuchel.

Wenn man HR-Informationssysteme und einen Dienstwagen als Arbeitswerkzeug ansieht und die Situation beider Werkzeuge vergleicht, ist erstaunlich, wie unterschiedlich die Detailkenntnisse ausgeprägt sind. Regelmäßig stelle ich fest, dass ausgearbeitete Strategien zum Einsatz  von  HR-IT  fehlen.  Ideen sind zwar  vorhanden,  eine  abgeschlossene  HR-IT-Strategie  ist  aber  nicht zu Papier gebracht. Woran liegt das? Fehlt es an langfristigen Perspektiven oder an klaren Zielvorstellungen?

HR IT Strategie: Wer ist zuständig?

In Unternehmen mit international aufgestellten Business Areas, d. h. länderübergreifenden Produkten oder Services, gibt es mehrere Personen, die für das Thema HR-IT-Strategie zuständig sind bzw. sich zuständig fühlen. Nehmen wir an, es existieren drei Business Areas in jeweils fünf Ländern, so finden wir wahrscheinlich auch fünfzehn Ansprechpartner zum gleichen Thema vor. Wie sollen sich diese Personen zur HR-IT-Strategie einig werden?

Zunächst einmal ist die Steuerungsfunktion (Governance) zu klären. Liegt die Verantwortung in den Ländern, in den Business Areas oder ist sie zentral geregelt? Wenn diese Frage nicht geklärt wird, kann es kein abgestimmtes Miteinander geben. Jeder würde einen eigenen Weg wählen und Doppelinvestitionen wären an der Tagesordnung. Möglicherweise entscheidet sich das Unternehmen für eine HR-IT-Strategie auf der Ebene der Business Areas. Sollten die Vertreter verschiedener Business Areas in einem Land die gleichen Probleme oder Anforderungen haben, so bietet es sich an, businessübergreifend den Kontakt zu suchen und sich auszutauschen. Synergieeffekte ließen sich zum Beispiel bei der Konzeption eines Performanceprozesses oder bei der Bündelung der Auswahl von Payroll-Anbietern erzielen. Auf jeden Fall zeigt dieses Beispiel, dass zumindest eine informierende zentrale Stelle im gesamten Unternehmen sinnvoll ist. Diese zentrale Stelle kann die Vorhaben der Business Areas transparent machen, muss aber nicht notwendigerweise steuernd eingreifen, um den Business Areas weiterhin Flexibilität in ihren Entscheidungen zu gewähren.

Ohne HR-Strategie keine HR-IT-Strategie

Möglicherweise mangelt es aber auch bereits an einer fehlenden HR-Strategie, die entweder nicht zu Papier gebracht oder nicht ausreichend ausformuliert ist (Personalstratgie erstellen: So geht's). Entscheidend ist hier nicht die Detaillierungstiefe der HR-Strategie, sondern der Zusammenhang zur Geschäftsstrategie und die Benennung der Handlungsfelder. Die aufgestellte HR-Strategie sollte mindestens drei Jahre Bestand haben, bevor sie wieder angepasst wird. Andernfalls wird man Ihnen nicht abnehmen, dass Sie es damit ernst meinen.

HR-IT-Strategie: Ziele

Ohne ein klares Ziel vor Augen gibt es auch keine Strategie. Stattdessen werden gerne taktische Maßnahmen initiiert. Partikularinteressen, wie Teiloptimierungen durch den Einsatz eines neuen Recruiting-Tools, werden oft umgesetzt. Ganz davon abgesehen, dass es an der einen oder anderen Strategie mangelt, ist kaum jemand in der Lage, einen umfassenden Transformationsplan für eine HR-IT-Strategie für die nächsten drei bis fünf Jahre vorzulegen. Es fehlt meistens diejenige Person, die die Kernelemente der HR-Strategie mit den IT-Interessen in Einklang bringt, also eine Person, die beide Seiten und beide Interessenslagen versteht und ausbalancieren kann. Stellen Sie sich vor, kein HR-IT-Spezialist, sondern der CIO wäre verantwortlich für die Auswahl aller wichtigen IT-Systeme für alle Prozesse und Fachbereiche. Welche Entscheidungsmöglichkeiten hätte dann der jeweilige Fachbereich? Keine! Dieses Denken der 90er-Jahre ist immer noch verbreitet. Ein Neuentwurf für das Personalmanagement ist deswegen unabdingbar.

HR-IT-Strategie an veränderte Rahmenbedingungen anpassen

Auch veränderte Rahmenbedingungen fordern Verantwortliche heraus, (erneut) an ihrer Strategie zu arbeiten. So kann es passieren, dass eine gerade erfolgte Neuausrichtung der HR-Strategie wieder zunichtegemacht  wird, weil sich die Geschäftsstrategie ändert. So geschehen in einem Mischkonzern, in dem ich tätig sein durfte. Die vorgesehene Aufteilung des Mischkonzerns in selbstständige Sparten führte dazu, dass gemeinsame Vorhaben gestoppt werden mussten. Die Abstimmung von HR-Konzepten und -Tools, wie die weltweite elektronische Personalakte, wurde nicht mehr unterstützt. Von einem auf den anderen Tag wurde die vertraglich begründete Zusammenarbeit zwischen HR-Services und HR-IT aufgelöst. Dadurch war es nicht mehr möglich, Global Services (GS) auszubauen. Mangels Masse waren berechnete Synergien hinfällig, so dass in kleineren Dimensionen gedacht werden musste. Eine Anpassung der HR-IT-Strategie wurde deswegen umgehend erforderlich.

HR IT Strategie Checkliste

Wer keine HR-IT-Strategie hat, kann ein Projekt mit den Bestandteilen Ist-Analyse, Zieldefinition  und  Roadmap-Entwicklung  in  Auftrag  geben  oder sich einfach die folgenden Fragen stellen, um Ziel und Planung der HR-IT- Strategie näherzukommen:

Unternehmensgröße

  • Welchen Fokus hat Ihr Personalmanagement? Ist in Ihrem Unternehmen Personalführung Sache des Personalleiters?
  • Benötigt Ihr Unternehmen IT-gestützte Prozesse für Talent-Management, Performance-Management und Mitarbeiterentwicklung?

Vertrauen zu externen Anbietern

  • Ist es Ihnen wichtig, die Payroll im eigenen Hause zu haben?
  • Haben Sie für die Wartung Ihrer Payroll-Software und der Schnittstellen geeignetes IT-Personal dauerhaft zur Verfügung?

Branchenfokus

  • Produzieren Sie Güter in den Ländern, für die Sie HR-Software anschaffen?
  • Benötigen  Sie  Software  für  die  Echtzeiterfassung?  Und/oder  eine  Auf- tragsdatenverarbeitung mit Verbindung zur Zeiterfassung?
  • Liegt der Hauptfokus Ihres Unternehmens auf Marketing und Vertrieb?
  • Gibt es Vertrauensarbeitszeit anstelle der Zeiterfassung mit Stempeluhren?

Prozessfokussierung

  • Welche Prozesse müssen Ihrer Meinung nach zwingend unterstützt wer- den? (Recruiting, Performance-Management, Mitarbeiterentwicklung, Training,  Personaladministration)
  • Welcher Prozess dieser Beispiele hat höchste Priorität, welcher die nied- rigste?
  • Ist  Ihnen  eine  einheitliche  Benutzeroberfläche  wichtiger  als  perfekte Funktionalität?

Benutzerfreundlichkeit

  • Sollen Mitarbeiter von ihren privaten Endgeräten oder mit einem gestell- ten Endgerät der Firma auf das HR-System zugreifen?
  • Dürfen Vorgesetzte elektronische Freigaben erteilen?

IT‑Regelungen

  • Soll das HR-IT-System für alle Mitarbeiter außerhalb ihrer Betriebsstätten erreichbar sein?
  • Ist es  erforderlich, dass  Daten nur  im eigenen  Rechenzentrum gespeichert werden dürfen?

Aktuelle IT‑Architektur

  • Wie  viele  HR-Systeme  mit  ähnlichem  Funktionsumfang  sind  aktuell  im Einsatz und zeigen mögliche Bündelungseffekte?
  • Welche  Gesellschaften  Ihres  Unternehmens  haben  keine  ausreichende HR-IT oder nutzen aus anderen Gründen keine gemeinsame HR-IT?
  • Welche der heutigen HR-IT-Systeme sind von hohem Nutzen und besit- zen umfangreiche Schnittstellen?
  • Wurde in den letzten drei Jahren umfangreich in HR-IT-Systeme investiert? Wenn ja, in welche?
  • Gibt es HR-IT-Systeme, die »Business-kritisch« sind und nicht unmittel- bar durch eine andere HR-IT-Software ersetzt werden können?

 

HR-IT-Strategie: Ist-Analyse und Zielbild

Entsprechend der von Ihnen gefundenen Antworten kann ein Zielbild der zukünftigen HR-IT erarbeitet und mit dem Status quo verglichen werden. Es ist empfehlenswert, mehrere Meinungen zur Beurteilung des Ist-Zustandes und des gewünschten Zielbildes einzuholen.  Experten  können  beurteilen, wie groß die Differenz zum Zielbild ist, und eine Vorgehensweise entwickeln, die schrittweise zum Zielbild führt. Wenn dieses mit der allgemeinen IT-Strategie im Einklang steht, können die Projekte geplant werden.

Autor:

Peter Keuchel studierte Betriebswirtschaftslehre und Informatik und arbeitete in verschiedenen Positionen in Unternehmen, baute u.a. den HR-Consulting-Bereich von Ernst& Young auf. Mit Keuchel HR-Consulting ist er seit über 20 Jahren Personalberater für Mittelstand und Großunternehmen

Buchtipp: Let's make HR simple

Der obige Text ist ein Auszug aus dem Buch "Let's make HR simple" von Peter Keuchel, das im Dezember 2018 bei Haufe erschienen ist. Das Buch vermittelt aktuelles HR-Wissen und umsetzungsnahe Fähigkeiten für das Personalmanagement im digitalen Zeitalter. Darüber hinaus enthält das Buch zahlreiche detaillierte Praxisbeispiele sowie Arbeitshilfen. Hier können Sie "Let's make HR simple" im Haufe Shop bestellen.

 

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