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Arbeitgeber sind gesetzlich dazu verpflichtet ein so genanntes Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) zur Wiedereingliederung langzeiterkrankter Mitarbeiter durchzuführen. Hier finden Sie Infos zum Ablauf des BEM-Verfahrens und Tipps für das BEM-Gespräch.  

Seit 2004 sind Arbeitgeber verpflichtet, länger erkrankten Beschäftigten ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (kurz: BEM) anzubieten. "Das BEM
dient dem Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit und ist ein Instrument, um
den Folgen des demographischen Wandels wirksam zu begegnen.
Gleichzeitig sichert das BEM durch frühzeitige Intervention die individuellen Chancen den Arbeitsplatz zu behalten", schreibt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales auf seiner Website.

Betriebliches Eingliederungsmanagement: Pflicht des Arbeitgebers

Gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX muss der Arbeitgeber allen Mitarbeitern, die im Laufe eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind, ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anbieten. 

Um den betreffenden Personenkreis zu ermitteln, werden monatlich Auswertungen
über die Krankenstände der Mitarbeiter von der zuständigen Personalstelle erhoben. Bei wiederholter Arbeitsunfähigkeit kann die Bedingung zur Einleitung des BEM-Verfahrens bereits nach insgesamt mehr als 30 Fehltagen (Krankentagen) innerhalb der vergangenen zwölf Monate erfüllt sein. Mehr zu den gesetzlichen Regelungen lesen Sie im Beitrag "Betriebliches Eingliederungsmanagement ist Pflicht des Arbeitgebers".

BEM braucht systematische Prozesse und ein strukturiertes Vorgehen

Um die gesetzlichen Anforderung an das Betriebliche Eingliederungsmanagement
zu bewältigen, sind eine vertrauensvolle Zusammenarbeit der betrieblichen
Interessenvertreter und ein gut strukturiertes BEM mit systematischen
Prozessen und Vorgehensweisen im Unternehmen notwendig. Im Folgenden erläutern wir, wie ein Betriebliches Eingliederungsmanagement in der Praxis ablaufen kann.

BEM-Team

Das BEM-Team besteht verpflichtend aus

  • einem Vertreter des Arbeitgebers (häufig aus der Personalabteilung) und
  • einem Vertreter der Interessenvertretung.

Bei den Fällen schwerbehinderter Beschäftigter ist zudem die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen zu beteiligen.

Fallbezogen können zur Beratung des Teams folgende weitere interne und externe Experten hinzugezogen werden:

  • Arbeitsmediziner,
  • Fachkraft für Arbeitssicherheit,
  • externe Stellen, wie Fachkräfte des Integrationsamts, der Rehabilitationsträger (Krankenkasse, Rentenversicherung, Unfallversicherung, Agentur für Arbeit), von Einrichtungen der medizinischen oder beruflichen Rehabilitation oder des Integrationsfachdienstes.

Bei der Auswahl der Mitglieder des BEM-Teams empfiehlt es sich, auf persönliche Eigenschaften und Fähigkeiten der Mitglieder Wert zu legen, zum Beispiel Bereitschaft zur vertrauensvollen Zusammenarbeit im Team, Kompetenz für eine strukturierte, ziel- und ressourcenorientierte Fallbearbeitung, hohe Akzeptanz im Unternehmen. Darüber hinaus müssen die Mitglieder des BEM-Teams ausreichende zeitliche Ressourcen haben.

BEM-Prozess: Evaluation und Controlling

Das BEM-Team sollte in regelmäßigen Abständen den BEM-Prozess im Unternehmen evaluieren, um zu beurteilen, ob und wie die Ziele und Aufgaben gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX erfüllt sind. Die Evaluation liefert Hinweise auf den erforderlichen Anpassungs- und Erweiterungsbedarf für die Organisations- und Verfahrensabläufe und kann, z. B. beim Einsatz von Kennzahlen, den Nutzen von BEM verdeutlichen.

Eine Festlegung dazu, welche quantitativen Daten zu "Kennzahlen" zusammengefasst werden können, sollte bereits zu einem frühen Zeitpunkt der BEM-Einführung erfolgen. Gleichzeitig dient die Evaluation als Grundlage dafür, die betriebliche Öffentlichkeit über das BEM-Geschehen und seine Erfolge zu informieren.

BEM und Datenschutz

Die Regelung des Datenschutzes ist das zentrale Thema zur Vertrauensbildung im BEM und noch vor der eigentlichen Einleitung des BEM-Verfahrens zu bearbeiten bzw. zu klären. Ein Datenschutzkonzept kann die wesentlichen Eckpfeiler der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten beschreiben und definiert Maßnahmen zur Datensicherheit. Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten erfolgen sparsam und sind nur zur Erfüllung der Ziele des BEM zulässig.

Alle im Rahmen des BEM erhobenen Daten müssen auf die Ziele des BEM abgestellt sein. Zur Erfüllung dieses Zwecks sollte ein mehrstufiges Verfahren zur Freigabe von Daten gewählt werden, das sicherstellt, dass das BEM datenschutzkonform durchgeführt wird. Gleichzeitig entsteht dadurch eine Rechtssicherheit für die betroffenen Beschäftigten, dass die für die Zwecke des BEM erhobenen und gespeicherten Daten nicht für arbeitsvertragsrechtliche oder sonstige Zwecke verwendet werden und nicht zum Nachteil der Betroffenen führen können.

Darüber hinaus sind alle am BEM beteiligten Personen zur absoluten Verschwiegenheit zu verpflichten.

Ablauf des BEM-Verfahrens

Die gesetzlichen Anforderungen an das Betriebliche Eingliederungsmanagement bieten Freiräume für den konkreten Ablauf des BEM-Verfahren. Folgende Schritte sollten jedoch beachtet werden.

1. BEM-Verfahren einleiten

Der Arbeitgeber entscheidet, ob und wann mit dem betrieblichen Eingliederungsmanagement begonnen wird.

Zwar sieht das Gesetz ausnahmslos ein BEM bei Erfüllen der Voraussetzungen (länger als 6 Wochen innerhalb eines Jahres arbeitsunfähig erkrankt) vor. Ausgerichtet an den Zielen kann sich aber ergeben, dass kein BEM erforderlich ist, obwohl der Arbeitnehmer länger als 6 Wochen im Jahr arbeitsunfähig erkrankt ist oder war. Wenn z. B. der Arbeitnehmer bei einem Sportunfall einen komplizierten Armbruch erlitten hat, erfolgreich operiert wurde und anschließend eine Reha durchläuft, kann vieles dafür sprechen, dass die Heilung vollständig gelingen wird - jetzt ein BEM durchzuführen, wird häufig in einer solchen Situation nicht sinnvoll sein.

2. Über Ziele des BEM informieren

Der Beschäftigte soll sich angstfrei einlassen können. Deshalb verlangt § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX, dass ihn der Arbeitgeber zunächst über die Ziele des BEM und über die erhobenen und verwendeten Daten informiert (siehe oben: BEM und Datenschutz).

3. Zustimmung des Betroffenen zum BEM

Der Betroffene kann frei entscheiden, ob er seine Zustimmung erteilt. Diese ist formlos möglich.

4. Das BEM-Gespräch

Zentraler Bestandteil des BEM sind die BEM-Gespräche. Nach Zustimmung des betroffenen Mitarbeiters zum BEM-Verfahren findet das Erstgespräch entweder mit dem BEM-Verantwortlichen alleine oder mit weiteren Beteiligten statt (Betriebsrat, Schwerbehindertenvertretung). Ziel dieses Gesprächs ist es, zu erörtern, welche Gründe es für die Fehlzeiten gibt und ob diese Krankenzeiten ursächlich mit den Arbeitsbedingungen in Zusammenhang stehen (siehe unten: BEM-Gespräch: Ablauf und Leitfaden). Bereits jetzt oder später werden, soweit es erforderlich erscheint, der Werks- oder Betriebsarzt hinzugezogen. Der Betroffene ist nicht verpflichtet, seine behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden, obwohl das das Verfahren sehr erleichtern könnte. Der Hinweis auf die Gefährdung des Arbeitsverhältnisses durch Fehlzeiten ist zulässig, um dem Arbeitnehmer deutlich zu machen, dass aktive Mitarbeit im BEM in seinem eigenen Interesse ist.

5. BEM-Ziele erörtern und festlegen

Im Rahmen des BEM-Gesprächs wird erörtert, was für den betroffenen Mitarbeiter mit dem Betrieblichen Eingliederungsmanagement erreicht werden soll und entsprechende BEM-Ziele festgelegt. Der Inhalt und die Zielrichtung des BEM werden sich danach unterscheiden, ob es sich um einen langzeiterkrankten Beschäftigten handelt oder ob häufige Kurzerkrankungen im Vordergrund stehen.

Bei Ersterem stellt sich die Frage nach dem aktuellen Gesundheitszustand und die Aussicht auf baldige Genesung, aber auch die Frage, ob die Einsatzfähigkeit des Beschäftigten voll wieder hergestellt oder eingeschränkt sein wird und wie sich Einschränkungen auf die weitere Arbeit auswirken werden.

Bei häufigen Kurzerkrankungen steht die Frage nach deren Ursachen im Vordergrund. Betriebliche Ursachen sind zu besprechen, aber auch die persönlichen Lebensumstände des Beschäftigten. Nach einer Analyse der Ursachen der Erkrankung muss dann dazu übergegangen werden, Hilfsmöglichkeiten für den Beschäftigten zu erkunden.

6. Ende des BEM

Das BEM ist erst abgeschlossen, wenn die Fehlzeiten dauerhaft unter die Sechswochengrenze des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX gesunken sind, die Teilnehmer das Ende feststellen oder das Beschäftigungsverhältnis endet. Eine Grenze ist da erreicht, wo auch nach Ansicht kompetenter Berater wie dem Integrationsamt oder der Servicestelle keine Möglichkeiten zur Wiedereingliederung des Arbeitnehmers in das Arbeitsverhältnis oder zur Fehlzeitenreduzierung bestehen.

BEM-Gespräch: Ablauf und Leitfaden

Damit das BEM-Gespräch gelingt, empfiehlt Berater, Trainer und Coach Frank Stöpel in der Ausgabe 4/2015 des Personalmagazins ein vierstufiges Gesprächsmodell, das wir hier in gekürzter Form vorstellen. Das Modell kann Personalverantwortliche und Führungskräfte unterstützen, wenn sie ein BEM-Gespräch vorbereiten müssen.

Phase 1: Rapport-Phase

Zunächst gilt es, einen positiven Kontakt zum Mitarbeiter auf der Beziehungsebene herzustellen, etwa durch Gesten der Höflichkeit und Freundlichkeit. In der Phase können auch Verfahrensfragen erörtert werden. Wichtig ist, nur die Informationen zu geben, die der Mitarbeiter benötigt, und zu vermeiden, dass er in eine passive Haltung rutscht. Dabei helfen Fragen nach seinen Erwartungen.

Phase 2: Problemerfassung

In der zweiten Phase gilt es, die Diskrepanz zwischen Ist- und Zielzustand herauszuarbeiten. Daraus ergeben sich drei Aufgaben: Was ist der Istzustand, was ist der Zielzustand und welche Abweichungen gibt es? Für den Einstieg empfehlen sich Fragen nach den funktionellen Einschränkungen und Möglichkeiten, um zu klären, welche Tätigkeiten unter welchen Bedingungen wie lange ausgeführt werden können. Auch bei primär körperlichen Erkrankungen sollte die Erfassung des Istzustands sowohl fachliche als auch überfachliche Kompetenzen umfassen. Denn eine längere Zeit der Arbeitsentwöhnung und die Konfrontation mit einer womöglich existenzbedrohenden Erkrankung können sich etwa auch auf die personalen Kompetenzen auswirken. Eine mögliche Diskrepanz zwischen subjektiven und objektiven Anforderungen und Kompetenzen sollte der BEM-Verantwortliche thematisieren.

Neben dem Arbeitsplatz sollte der BEM-Verantwortliche aber auch das private Umfeld des Mitarbeiters und dessen Stresslevel erfassen. Denn nicht nur bei Erkrankungen der Psyche, sondern auch bei den häufigsten Muskel-Skelett-, Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen spielen psychosoziale Faktoren eine Rolle. Wichtig in dieser Phase ist es, dass dem Mitarbeiter bewusst ist, dass er der Probleminhaber ist, denn nur so engagiert er sich wirklich für eine Lösung.

Phase 3: Problemlösung

Es hat sich bewährt, erst nach einer systematischen Erfassung des Problems an die Lösung zu gehen. Wenn es mehr als ein Problem gibt, gilt es eine Reihenfolge aufzustellen. Dabei empfiehlt es sich, bei lösbaren Schwierigkeiten zu beginnen. Dies schafft ein Erfolgserlebnis am Anfang des Prozesses, das Optimismus für dessen weiteren Verlauf weckt. Der BEM-Beauftragte sollte dem Mitarbeiter helfen, möglichst viele eigene Lösungen zu finden, aus denen dieser eine auswählt. Dabei bietet sich die Referenzmethode an: Ein Satz wie "Ein Kollege von Ihnen war einmal in einer ähnlichen Situation und da hat er folgende Lösung umgesetzt" ermöglicht Modelllernen und macht eventuell schambesetzte Lösungen, wie eine Psychotherapie, gangbar. Auch hier ist es wichtig, dass der Mitarbeiter eine aktive Rolle übernimmt. Letzteres ist, das zeigt die Salutogenese-Forschung, auch für die weitere Entwicklung der Gesundheit wichtig.

Phase 4: Abschluss

In der letzten Gesprächsphase werden die besprochenen Aspekte noch einmal zusammengefasst und klar benannt, wer welches Arbeitspaket hat. Diese Pakete sollten mit einem eindeutigen, zeitnahen Termin versehen werden. Auch der Effekt der sich selbst erfüllenden Prophezeiung kann bei BEM-Gesprächen genutzt werden: Der BEM-Verantwortliche sollte seinen Optimismus zum Ausdruck bringen, um die Chancen für ein erfolgreiches BEM weiter zu verbessern. Um den Erfolg zu erfassen, wird ein Folgetermin vereinbart, bei dem offene Punkte und neue Aspekte besprochen werden können.