Peter Paschek
"Management als gesellschaftliche Aufgabe" - Page 3

Schlüsselkategorien: Gemeinschaft und Gesellschaft

“Denn hier ist im modernen Staat ein Gebilde entstanden, das seinem Wesen nach im steten Wandel der Form begriffen ist, Träger dieses Wandels, Träger des Geschichtsablaufs zu sein”.(15)

Peter Drucker hat immer wieder betont, dass das Management nie das zentrale Thema seines Interesses und seiner Arbeit gewesen ist: „Management was neither my first nor has it been my foremost concern. I only became interested in it because of my work on community and society“.(16)

Seit seiner ersten Veröffentlichung über Friedrich Julius Stahls konservative Staatslehre im Jahre 1933 prägen Druckers Werk folgende Punkte: Das Interesse an gesellschaftlichen Strukturen und Entwicklungen und damit verbunden die ständige Suche nach Möglichkeiten, Kontinuität und Bewahren auf der einen Seite mit Wandel und Innovation auf der anderen zu verbinden, sowie die Frage nach einer funktionierenden Gesellschaft, die Individuum, Gemeinschaft und Gesellschaft integriert.

Durch wen wurde Peter Drucker in seinen Erkenntnissen maßgeblich bestätigt und in seinen Gedanken entscheidend geprägt? Im Wesentlichen von konservativ-liberalen Persönlichkeiten, die - wie er - in Zeiten gravierender Veränderungen lebten und deren Hauptinteresse darin lag, sich durch effektiven, balancierten Einsatz von Erhalten und Erneuern einer „erträglichen“ Gesellschaft anzunähern. Dazu gehörte natürlich Stahl (1802 – 1861), aber auch der leider in Vergessenheit geratene Wiener Sozialphilosoph Othmar Spann (1878 – 1950), mit dem Drucker bis zu dessen Tod freundschaftlich verbunden war. In gleichem Maße wurde Peter Drucker beeinflusst durch den großen englischen Philosophen und Staatsmann Edmund Burke, von den Gründungsvätern der Vereinigten Staaten und Autoren der Federalist Papers James Madison und Alexander Hamilton sowie von den wegweisenden Arbeiten des großen französischen Sozialphilosophen und Politikers Alexis de Tocqueville. Außerordentlich wichtig für Peter Drucker war auch Walter Bagehot (1826 – 1877), der wohl herausragendste politische Schriftsteller Englands und berühmte Herausgeber des Economist. Peter Drucker bezeichnete ihn als denjenigen, der ihm hinsichtlich Temperament, Konzept und Arbeitsweise am nächsten stand.

Zwei Männer, die größte Wirkung auf das Druckersche Werk hatten, sind besonders hervorzuheben. Der große Soziologe Ferdinand Tönnies (1856 – 1936) und der politische Philosoph, Staatsmann und Sprachforscher Wilhelm von Humboldt (1767 – 1835). „Tönnies was indeed the first and greatest influence on me. I first read him – by pure accident – in Hamburg in 1927 or 1928 when I was a deadly bored Kaufmannslehrling there“.(17)

Die Schrift “Gemeinschaft und Gesellschaft” von Tönnies ist eines der Hauptwerke der Soziologie. „Tönnies juxtaposed community, which is focused on being, that is status, with society which is focused on doing, that is function. I argue that the basic institutions of society has to be both a community that gives status, and a society that does function.” (18) Status und Funktion benötigt der Mensch in seiner sozialen und politischen Existenz ebenso wie die Luft zum Atmen in seiner biologischen. „Man must have status and function in his society in order to be a person. Without he is either the “caged spirit” of Oriental philosophy, senselessly and meaninglessly caught in a senseless and meaningless life or just “Homo sapiens” and one of the more brutish apes. And only a society that gives status and function to its members can expect their allegiance”.(19)

Natürlich weiß Drucker um die Grenzen des Individuums und damit der Gesellschaft. Perfektion und absolute Erfüllung sind für ihn illusorisch. „The demand is however, for efficient rather than for absolute fulfillment, for adequacy rather than for perfection. We deal after all with the social order of men not with that of angels. But there is a point below which the efficiency of social fulfillment may not fall without making society appear despotic, arbitrary, irrational and meaningless. Where this point is we do not know”.(20)

Wilhelm von Humboldt hat Peter Drucker maßgeblich inspiriert, nicht aufzuhören, nach den Grenzen der Möglichkeiten des Staates zu fragen. „I began to ask the same question: What are the limits of government effectiveness in the early years after World War II and began to ask it with increasing urgency as we went into the Eisenhower administration.”(21)

Von Humboldt war für Drucker aber auch bahnbrechender Architekt einer sozialen Ordnung, die in der Lage war, “Bewahrung” und “Veränderung” in der für die Dynamik einer Gesellschaft erforderlichen Balance zu halten. „What Humboldt did was to balance two conserving institutions: a professional and university-trained civil service and a professional army, with two innovating institutions: the research university with complete freedom of research, publishing, and teaching, and the free-market economy on Adam Smith’s prescription. The Monarch – a strong executive, very similar to the way Humboldt saw George Washington in far away America – would preside the four and would serve as the balancing wheel. And, to repeat, this worked for a hundred years.” (22)