FREDMUND MALIK

DIE WELT DES
PETER DRUCKER

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*) Beatty, Jack;  

The World According to Peter Drucker,
The Free Press, New York 1998.
Deutsch: Die Welt des Peter Drucker;
aus dem Englischen von Friedrich Mader;
Campus Verlag Frankfurt/New York 1998

 

Die Welt des Peter Drucker

Anmerkungen zum gleichnamigen Buch von Jack Beatty *)

Jack Beatty's Buch über Peter Drucker und sein Weltbild ist gut recherchiert, flüssig geschrieben und kompetent ins Deutsche übersetzt, was heute keine Selbstverständlichkeit ist. Der Autor hat den Mann, über den er schreibt und sein Werk verstanden.

Das Buch kommt zeitgerecht. Nach einer rund zwanzig Jahre dauernden Phase, in der eine unsägliche Management-Modewelle auf die andere folgte, beginnen sich die Anzeichen zu verdichten, dass wir eine Chance auf Rückkehr zu Verstand, Vernunft und geistiger Qualität haben könnten - zu einer Managementliteratur, die es nicht mehr grösserenteils schon als Leistung ansieht, Volksschulniveau zu erreichen.

Das Buch ist ein sehr guter Zugang zum Gesamtwerk Druckers und - der Absicht entsprechend - zur Welt, wie er sie sieht. Es vermittelt ein Bild über den Menschen Peter Drucker und gibt Antworten auf die Frage, warum Drucker genau dieses Weltverständnis hat - Antworten, die ich im Wesentlichen für zutreffend halte. Das Buch ist, obwohl von einem Amerikaner geschrieben, insofern bemerkenswert unamerikanisch, als der Au-tor verstanden hat, wie sehr das Denken Druckers durch seine Herkunft aus dem europäischen und speziell österreichischen Grossbürgertum geprägt wurde.

Drucker gilt den meisten als Erfinder des modernen Managements. Als solcher wird er in der Regel von den Medien gesehen, darunter von so bekannten wie Forbes, Business Week, dem Economist und dem Wall Street Journal. Eines der zentralen Kapitel in Beatty's Buch heisst denn auch "Die Erfindung des Managements".

Drucker selbst hat das - wie Beatty nicht entgeht - nie so gesehen, auch wenn es ihm gelegentlich geschmeichelt haben mag. Management wurde von niemandem "erfunden", und wenn man jemanden angeben müsste, so würde Druckers eigene Wahl, wie er einmal sagte, auf den "CEO der Pyramids, Inc." fallen, der seiner Meinung nach für den Bau der Cheops Pyramide vor Jahrtausenden mehr von Management verstehen musste als jeder heutige Vorstandsvorsitzende. Managementleistungen sind so alt wie die Menschheit. Erfinder des Managements ist Drucker also nicht und will es nicht sein. Dazu kennt er sich viel zu gut in Geschichte aus. 

Schon eher - aber auch nur unter Protest - ist er bereit, zu akzeptieren, dass er Management entdeckt habe. Wenn er etwas beansprucht, dann, dass er Management als erster formuliert hat. Peter Drucker ist der Mann, der die Bedeutung von Management als umfassende, gesellschaftsgestaltende Funktion erkannt und der diese Funktion lehr- und lernbar gemacht hat, indem er sie als geordnetes Wissensgebiet dargestellt hat. Drucker hat Management - das ist wichtig für das Verständnis seines gesamten Werkes - als eine auf Anwendung gerichtete Disziplin, als eine Praxis - und nicht so sehr als Wissenschaft - verstanden. Das hat ihn - obwohl er ein Leben lang auch, aber nie nur an Universitäten gelehrt hat - erfolgreich den Versuchungen der Elfenbeintürme widerstehen lassen. Es ist ja schon bemerkenswert, wenn jemand nicht nur einmal, sondern zweimal ein Ruf nach Harvard ablehnt.

Drucker hat mit seiner Arbeit nicht nur den Grundstein gelegt zu einem neuen Beruf. Er hat die Wirtschaft, ihre Organisationen und die Art ihrer Führung verändert - und damit die Gesellschaft. Man ist versucht, zu sagen - die amerikanische, aber dort war nur der Anfang. Die Auswirkungen der Ideen Druckers sind direkt oder indirekt in allen Ländern festzustellen, die zumindest ansatzweise marktwirtschaftlich organisiert sind. Den direktesten Einfluss hatte er wohl auf die Entwicklung Japans und Südkoreas, von deren Regierungen er gleich nach dem Zweiten Weltkrieg als Berater beigezogen wurde, und wo seine Ideen am schnellsten realisiert wurden. Er darf als einer der Väter des Nachkriegswirtschaftswunders dieser beiden Länder gelten.

Nur die Belesensten unter den Managern sind sich des Ausmasses der Leistung bewusst, die Drucker erbrachte. Es gab vor Drucker fast nichts über Management oder Organisation 1. Es interessierte auch niemanden, was in den Unternehmungen der damaligen Zeit passierte. Wenn überhaupt etwas Interesse fand, dann waren es die Wirtschaftstycoone des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts - z.B. Andrew Carngie, John D. Rockefeller, Jacob Astor, die Vanderbilts, die Duponts und J.P. Morgan -, die entweder idealisiert und heroisiert, oder dann verachtet und bekämpft wurden. Gegenstand systematischer Studien - ausser für ihre Biographen und die damaligen Medien - waren aber auch sie nicht.

Drucker hat nicht nur die Bedeutung von Management als erster gesehen und eine Managementlehre formuliert. Während 50 Jahren hat er die meisten Ideen und Praktiken entwickelt, die im Chaos der Management-Modewellen bisher Bestand hatten und wirklich brauchbar sind. Von Drucker stammt unter anderem das Konzept desManagement by Objectives, er hat die ersten Arbeiten zum Themenkreis Unternehmenspolitik und Corporate Governance verfasst, er hat sich auf gänzlich neue Weise mit dem Gewinn, seiner Funktion und seiner Bedeutung befasst. Zweck und Mission des Unternehmens, die Grundformen der Unternehmensorganisation, Aufgaben und Gestaltungsprinzipien des Top Managements, Delegation, Entscheidungsfindung, Effektivität der Arbeitsweise von Führungskräften, Kontrolle, Selbstkontrolle und Verantwortung sind Themen, die sich in Druckers Schriften bereits in den Fünfziger Jahren finden. Er hat das erste Buch über Unternehmensstrategie geschrieben - Managing for Results, 1964 - zwanzig Jahre vor der dann produzierten Literaturflut. Es ist noch immer das Beste, was es zu diesem Thema gibt.

Druckers Interesse gilt, was nicht allgemein bekannt ist, keineswegs nur der Wirtschaft und ihren Organisationen. Er hat sich früh mit den Non-Profit-Organisationen befasst, und er hat sehr klar gesehen, welches Potential an gegenseitiger Befruchtung zwischen diesem Bereich und der Wirtschaft gegeben ist. Einige seiner wichtigsten Vorschläge für die Wirtschaft, etwa zu Fragen des Marketings, der Strategie, der Unternehmensaufsicht und -kontrolle und der Führung von Menschen, haben ihre Quellen im Non Profit-Bereich.

Druckers Beitrag zu Management ist so umfassend, dass für andere Autoren wenig Raum für wirkliche Originalität blieb, dafür umso mehr für Plagiate. Das hat selbst Tom Peters in einem Anflug von untypischer Bescheidenheit konstatiert, als er für einen Beitrag zu einer "Peter Drucker Retrospective", die vor ein paar Jahren in New Management publiziert wurde, einige Bücher Druckers - darunter The Practice of Management - studierte, die ihm bis dahin anscheinend nicht bekannt waren: "Drucker said everything", war seine ebenso lapidare wie zutreffende Erkenntnis.   

Wie kommt das? Peter Drucker hat zwar einen enormen Beitrag zu Management geleistet, aber er war nie nur ein Management-Spezialist. Drucker ist ein Generalist im besten Wortsinne. Jack Beatty arbeitet das in seinem Buch sehr anschaulich heraus. Mit Recht widmet er Management nur ein Kapitel. Druckers Arbeiten zu ganz anderen Fragen sind mindestens so wichtig und sie haben auch einen eben so grossen Anteil an seinem Gesamtwerk. Es sind Grundfragen der Gesellschaft, der Politik, der Wirtschaft und der Geschichte, und durch alles hindurch ist immer wieder Druckers Interesse an den schönen Künsten, vor allem an der Musik und an japanischer Malerei und chinesischer Kalligraphie sichtbar.

Druckers Interesse gilt den Menschen - im Gegensatz etwa zu den Ökonomen, die ihm viel zu fixiert auf Waren, Preise oder Geld sind. Er gibt das auch als Grund dafür an, dass er kein Ökonom wurde, sondern im Gegenteil einer der schärfsten Kritiker der Nationalökonomie. Die einzigen, die vor seinem gestrengen Urteil zu bestehen vermögen, sind Joseph Schumpeter und - weniger deutlich - Friedrich von Hayek. Sonst verschont er keine Berühmtheit; nicht John Maynard Keynes, bei dem er noch Vorlesungen in Cambridge genossen hatte, noch Milton Friedman, mit dem er zwar die Überzeugung für die Markwirtschaft teilt, sonst aber nichts.

Druckers erste Bücher sind politische und gesellschaftliche Analysen -The End of Economic Man (1939) und The Future of Industrial Man (1942) Sein Grundanliegen ist die Frage nach einer gesunden, funktionierenden Gesellschaft und nach jenen Hauptproblemen, die jede Gesellschaft zu lösen hat - nach Status und Funktion ihrer Mitglieder und nach ihren grundlegenden Organisations- und Koordinationsformen. Seine Auffassungen entstanden zwangsläufig in Auseinandersetzung mit den totalitären Systemen Europas, denen der junge Drucker Anfang der 30er Jahre durch Emigration - aus freiem Entschluss - zuerst nach England und dann nach Amerika ausgewichen war.

Auch die an das Ende der Kriegszeit fallende Studie Druckers über General Motors, die er unter dem Titel "The Concept of the Corporation" - zwar mit Erlaubnis, aber doch zum Missfallen des Unternehmens - veröffentlichte, ist weniger ein Buch über Management, als über die seines Erachtens wichtigste Institution der neu entstehenden Industriegesellschaft - das Grossunternehmen - und seine Beziehungen zu eben dieser Gesellschaft und ihren anderen Institutionen, vor allem den Gewerkschaften. Erst danach kommt dann die Phase konzentrierter Befassung mit Management im engeren Sinne - aber nie isoliert, sondern immer in gleichzeitiger, intensiver Auseinandersetzung mit gesamtgesellschaftlichen und politischen Fragen.

Darin liegt einer der entscheidenden Unterschiede zwischen Drucker und den meisten anderen Autoren über Management. Drucker ist erstens umfassend gebildet, vor allem auch in Geschichte, und er hat sein Interesse an neuen Wissensgebieten bis heute nicht aufgegeben, ja er hat das zur systematischen Methode gemacht, sich geistig jung zu erhalten. Er hat zweitens Management immer im Kontext von Gesamtgesellschaft, Politik und Gesamtwirtschaft und im Lichte ihrer geschichtlichen Dimensionen gesehen und behandelt. Das befähigte ihn immer wieder, Dinge zu sehen, die anderen völlig verborgen blieben und sie in ihren Konfigurationen und im Kontext zu verstehen. Und er hat - nicht zu vergessen - drittens, eine enorme, uneinholbare und echte Erfahrung. Mit heute 90 Jahren kann er auf rund 50 Jahre aktives Consulting zurückblicken, für viele Fortune 500-Firmen, für kleine und mittlere Unternehmen in zahlreichen Branchen, für Regierungsbehörden und gemeinnützige Organisationen. Er war in allen Kontinenten tätig. Wer sonst kann schon von sich behaupten, dass er Amerika, Europa und Asien wirklich kennt.

Bei allem ist zu bedenken, dass Drucker die Arbeit immer selbst gemacht hat. Er hat nie einen Assistenten gehabt und nur zeitweise eine Sekretärin. Das ist es, was mit "echter" Erfahrung gemeint ist. Im Gegensatz zu den meisten anderen "Consultants" hat Drucker nie "beraten lassen".

Drucker ist eines der selten gewordenen Beispiele eines universellen Geistes, und er hat von Anfang an - offenbar als Naturtalent und ohne darüber zu reden - eine ganzheitliche, systemische Sicht gehabt. Er passt in keine der üblichen akademischen Kategorien. Die Frage ist nicht, ob sein Werk einen Nobelpreis verdienen würde, sondern welchen. Es müsste ein eigener dafür geschaffen werden. Die wohl treffendste Bezeichnung für die Gemeinsamkeit in allen seinen Arbeiten stammt von ihm selbst und heisst "Sozial-Ökologie", weil es ihm letztlich immer um die Beziehung zwischen dem Einzelnen und der Gesellschaft oder der Gemeinschaft in der vom Menschen gemachten Umwelt ging.

Diese umfassende Sicht war und ist es auch, die Drucker in Stand setzte, einer der erfolgreichsten "Futurologen" dieses Jahrhunderts zu sein. Nicht alles, was er voraussagte, ist eingetroffen. Gelegentlich lag er im Timing falsch; meistens war er zu früh. Aber mit Sicherheit gibt es niemand anderen mit einer so hohen Trefferquote wie Drucker. Bis heute ist er einer der scharfsinnigsten und klarsichtigsten Beobachter gesellschaftlicher Entwicklungen geblieben. Im Vergleich dazu erscheinen die Arbeiten der Trend-Gurus eher als Tagebücher von Pubertierenden.

Drucker legt Wert darauf, kein Prognostiker zu sein. Das ist der Grund, weshalb ich das Wort "Futurologie" zu Beginn des letzten Absatzes in Anführungszeichen gesetzt habe. Er benützt eine ganz andere Methode, als die Trendforscherzunft, für die er nicht einmal Verachtung hat. Drucker betreibt nicht Medien-Surfing und Schlagzeilen-Screening. Er macht Ableitungen und zieht Schlussfolgerungen aus Ereignissen, die schon geschehen sind, die aber noch nicht die nötige Beachtung gefunden haben oder in ihren Auswirkungen noch nicht sichtbar sind. Er ist ein Meister des gründlichen Durchdenkens, des Zu-Ende-Denkens, auch wenn er seine Ergebnisse dann gelegentlich nur grob skizziert.

Er hat, was Beatty sehr schön zeigt, sehr früh, nämlich in den Fünfziger Jahren zum Beispiel die Entstehung der Welt der Organisationen vorausgesagt, den drohenden Niedergang der Gewerkschaften, das Drängen der Jugend in die Colleges und höheren Ausbildungsstätten und damit die Entstehung des Wissensarbeiters und der Wissensgesellschaft. Er ist einer der bis heute Wenigen, die die Bedeutung der demographischen Veränderungen klar erkannt haben. Drucker hat in einem wenig beachteten Buch mit dem Titel "The Unseen Revolution" die Entwicklung dessen vorhergesehen, was er den amerikanischen Pension Fund-Socialism nennt. Er hat sehr deutlich die Bedeutung der Pensionsfonds als neue Kapitalsammelstellen erkannt und die daraus resultierenden Folgen für die Führung der grossen Unternehmen, die Corporate Governance, bis hin zu den Wall Street-Exzessen der letzten 10 Jahre, die er im übrigen in die Nähe des Obszönen stellt.

Drucker hat immer wieder darauf hingewiesen, dass nicht die Trends, sondern die Trendbrüche wichtig sind; nicht die Kontinuitäten, sondern die Diskontinuitäten; nicht das Bestehende, sondern der Wandel; nicht die Bewahrung, sondern die Erneuerung. An die Stelle eines wie immer gearteten Fortschrittsglaubens hat Drucker die Praxis und Disziplin des systematischen Innovationsmanagements gestellt - die Zukunft, die nicht einfach passiert, sondern die wir heute gestalten, damit das Morgen anders ist.

Diese Denkweise hat ihn sehr früh den Zusammenbruch des Sowjetimperiums vorhersagen lassen, die Notwendigkeit der Privatisierung von Staatsaufgaben, und die Entstehung zuerst der transnationalen und schliesslich der globalen Wirtschaft mit all ihren jetzt klar sichtbaren Problemen - nämlich dem Fehlen globaler politischer, ökonomischer, sozialer und rechtlicher Institutionen.

Drucker hat zeitlebens drei Funktionen erfüllt. Er war - Beatty zeigt, dass die Reihenfolge nicht unwichtig ist - Autor, Lehrer und Berater. "Ich schreibe", heisst das zweite Kapitel von Beatty's Buch. Und wie er schreibt. Druckers schriftstellerische Fähigkeit ist herausragend. Sie ist eine Stärke, die er - angestossen durch eine frühe Lehrerin - ein Leben lang kultiviert hat. Drucker schreibt klar, präzise und vor allem einfach und verständlich - keine pompösen Fussnoten, keine Formeln, Tabellen und Abbildungen - nur klare Sprache und meistens sehr treffende Formulierungen. Seine Schreibkunst ist sein Kommunikationsmedium, während seine Tätigkeiten als Lehrer und Berater die Quellen seiner Praxisnähe sind. Drucker besticht durch seinen endlosen Vorrat an praktischen Beispielen, alle sehr konkret und wenn es nötig ist, auch mit Zahlen und Fakten untermauert. Anlässlich eines Vortrages vor einem kleinen Kreis ausgewählter Spitzenführungskräfte, zu dem ich ihn vor einigen Jahren eingeladen hatte, beeindruckte er die Anwesenden damit, dass er Kapazität und Produktivität fast aller Autofabriken auswendig kannte.

Jack Beatty's Buch artet - obwohl er Drucker grossen Respekt zollt - nicht in blinde Verehrung aus. Er bleibt auf angemessener und wohltuend kritischer Distanz. In mehreren wichtigen Punkten ist er anderer Meinung als Drucker - so zu den Errungenschaften der Industriegesellschaft, zur Bedeutung der Pensionsfonds und zur Reprivatisierung von Staatsaufgaben. Das macht das Buch zu deutlich mehr als nur einer Rekapitulation der "Welt des Peter Drucker".

Einen Aspekt arbeitet Beatty besonders gut heraus, und es ist möglicherweise der wichtigste an Druckers Lebenswerk. Es ist die Überzeugung, die sich durch alle Arbeiten Druckers hindurch verfolgen lässt, dass keine Gesellschaft und keine ihrer Organisationen funktionieren können ohne Legitimation durch moralische Prinzipien. Die Industriegesellschaft der Nachkriegszeit hat sich insbesondere in Amerika mit einer glaubwürdigen Legitimation schwer getan. Mit ihrer Entwicklung zur postindustriellen, neoliberalen und globalkapitalistischen Variante sind die Rechtfertigungsprobleme noch grösser geworden.

Drucker ist - obwohl immer für Freiheit und Markt eintretend - ein scharfer Kritiker von Fehlentwicklungen, wie etwa den amerikani-schen Formen der Managerentlöhnung, den menschenverachtenden Restrukturierungsprogrammen, den Wallstreet-Raiders und den Exzessen in der Finanzwelt. Er verabscheut kaum etwas mehr als jene parasitäre Inkompetenz, kombiniert mit "Golden Parachutes", die sich gerade in den Top-Ebenen des Managements von Grossorganisationen immer wieder einzunisten droht - unter anderem ein Grund dafür, dass Drucker immer für eine starke Unternehmensaufsicht eingetreten ist. Kompromisslose Vorbildhaftigkeit der Führung und strikte Einlösung der Verantwortung gehören für Drucker daher zu den unabdingbaren Voraussetzungen einer funktionierenden Gesellschaft.

Jack Beatty hat ein wichtiges Buch geschrieben. Er kann und will das zumindest teilweise Studium der Arbeiten Druckers nicht ersetzen - mit 29 Büchern und rund 200 Aufsätzen, die sich allerdings zu einem grossen Teil in seinen Sammelbänden finden, ein ansehnliches Stück Arbeit. Beatty's Buch ist aber eine grosse Hilfe als Zugang zu Druckers Werk, für die Schaffung des Kontextes für Druckers Denkweise - eben für das Verständnis der "Welt des Peter Drucker". In dieser Beziehung ist es gerade für jene von grossem Nutzen, die Druckers Arbeiten aus zeitlichen Gründen nur selektiv lesen können.

Darum allerdings kommt niemand herum, der sich ein seriöses Verständnis für Management verschaffen will. Man muss nicht alle Auffassungen Druckers teilen; aber man braucht sehr gute Argumente, um sie abzulehnen. Ignorieren kann man sie jedenfalls nicht, wenn man ernst genommen werden will.

OVERVIEW

  1. Die Ausnahmen und Vorläufer Druckers sind Walter Rathenau, Henri Fayol, Mary Parker Follett und Lyndall Urwick sowie F.W. Taylor.