Peter Paschek
"Management als gesellschaftliche Aufgabe" - Page 5

Die Ethik der Verantwortung

Management ist eine objektive Funktion der Verantwortlichkeit für die spezifische Leistung einer Organisation, sei es ein Wirtschaftsunternehmen, ein Krankenhaus oder ein Theater, eine Regierungsbehörde oder ein Forschungsinstitut.

Management ist eine berufliche Aufgabe, seinen Kern bildet weder Reichtum noch Rang, sondern Verantwortung.

Welche Pflichten fordert die Berufsethik des Managers ein? Welche Pflichten hat dieser in der Verantwortung für Gemeinschaft und Gesellschaft und wie müssen wir diese Ethik der Verantwortung definieren?

Peter Druckers Verständnis von Ethik hat nichts mit Business Ethics in dem Sinne zu tun, wie es seit Jahrzehnten die meisten Seminare und Management-Bücher behandeln, in denen es um alltägliche Ehrlichkeit geht und in denen erzählt wird, man soll nicht betrügen, stehlen, lügen, bestechen oder Bestechungen annehmen. Das sollte auch sonst niemand tun. Ebenso wenig geht es um Ethik, wenn Callgirls zum Kunden-Entertainment bestellt werden. Dies ist nur eine Frage des eigenen Anspruchs und des eigenen Geschmacks. „It would indeed be nice to have fastidious leaders. Alas, fastidiousness has never been prevalent among leadership groups, whether kings and counts, priests or generals, or even „intellectuals“ such as the painters and humanists of the Renaissance, or the „literati“ of the Chinese tradition. All a fastidious man can do is withdraw personally from activities that violate his self-respect and his sense of taste.” (28)

Die Grundregel für die Ethik der Verantwortung lautet dagegen für Drucker „Primum non nocere“ über allem nicht wissentlich Schaden zufügen! Formuliert vor mehr als 2500 Jahren als die vorrangige berufliche Verantwortlichkeit  im hypokratischen Eid der Ärzte im antiken Griechenland.

Übertragen auf die Grundorientierung des Managers heißt das „über allem wissentlich keinen gesellschaftlichen Schaden anrichten.“

Auch hier geht es Drucker nicht um Perfektion, sondern um die Orientierung an einem fordernden Leitbild. „There are important areas where managers and especially business managers still do not realize that they have to impose themselves the responsibility of the professional ethic. They still have to learn that it is their job to scrutinize their deeds, words and behaviour to make sure that they do not knowingly do harm.”(29)

Ein wesentlicher Bereich wurde bereits weiter oben behandelt. “The manager who fails to think through and work for the appropriate solution to an impact of this business because it makes him “unpopular in the club” knowingly does harm. He knowingly abets a cancerous growth. That this is stupid has been said. That this always in the end hurts the business or the industry more than a little temporary unpleasantness has been said too. But it is also a gross violation of professional ethics”.(30)

Management legitimiert sich vor allem über Glaubwürdigkeit, über authentisches Verhalten. Die Glaubwürdigkeit unserer Institutionen aber hat gelitten. In der 2. Hälfte des vorigen Jahrhunderts betraf dies vornehmlich die politischen Organisationen. Mittlerweile sind aber auch die Wirtschaftsunternehmen in eine erhebliche Legitimitätskrise geraten. Der zunehmende Glaubwürdikgeitsverlust einer Institution ist immer verbunden mit einem schwindenden Vertrauen in diese. Die Menschen beginnen, die Legitimation dieser Institution infrage zu stellen, und damit entsteht ein soziales Problem, aus dem eine schwere funktionelle Störung der Gesellschaft resultieren kann.

„The higher the monkey goes the more of his behind he shows“ lautet ein alter englischer Kinderreim, den Peter Drucker unzählige Male zitiert. Je höher Manager in der Hierarchie angesiedelt sind, umso mehr stehen sie „unter Beobachtung“. Ganz gleich, ob ihre Organisation ein Konzern, eine Universität oder die Armee ist. „They must expect their behaviour to be seen scrutinized, analysed, discussed, and questioned. So they have to shun actions that cannot easily be understood, explained or justified. Being visible, managers are also examples. They are leaders by their very position and visibility, particularly in top management. Their only choice is their example leads others to right action or to wrong action. Their only choice is between direction and misdirection, between leadership and misleadership. These terms have ethical obligations to give the example of right behaviour and to giving the example of wrong behaviour”.(31)

Hier wird nicht der Wunsch nach der perfekten Führungskraft kundgetan. Derartiges existiert weder auf gesellschaftlicher noch auf organisatorischer Ebene, ganz zu schweigen von der individuellen. Niemand hört auf, ein menschliches Wesen zu sein, wenn er zum Vorstand, Bürgermeister oder Universitäts-Präsidenten berufen wird. Keiner erwartet von seinem Vorgesetzten, dass er der „Liebe Gott“ ist, aber vielleicht, dass er etwas näher am „Lieben Gott“ ist als man selbst. Man wünscht sich jemanden, dem man vertrauen kann, jemanden, dessen Handlungen dem entsprechen, was er sagt. Also jemanden, der sich durch glaubwürdiges Verhalten auszeichnet.

Einige Beispiele aus jüngster Zeit mögen dies verdeutlichen: Da initiiert der Top Mann einer transnationalen Institution ein sehr wichtiges und sinnvolles Anti-Korruptionsprogramm einerseits und betreibt gleichzeitig Vetternwirtschaft; oder der Vorstandsvorsitzende eines bedeutenden Konzerns gibt die Entlassung von mehreren Tausend Mitarbeitern bekannt und erklärt zugleich, auf 10 % seines Jahresgehalts zu verzichten, oder der Chef einer Landesregierung kritisiert öffentlich die mehr oder weniger moderaten Gehälter des Top-Managements der landeseigenen Unternehmen, schwelgt aber genauso öffentlich in seinen Freundschaften zu Celebrity-Millionären.

Peter Drucker hat Zeit seines Lebens darauf hingewiesen, dass die Argumentation vieler Manager weltweit in Sachen Profitmotiv es der breiten Öffentlichkeit unmöglich macht, die volkswirtschaftliche Realität zu verstehen. „Managers constantly complain about the hostility to profit. They rarely realize that their own rhetoric is one of the main reasons for this hostility. For indeed in the terms management uses when it talks to the public, there is no possible justification for profit, no explanation for its existence, no function it performs. There is only the profit motive, that is, the desire of some anonymous capitalists – and why that desire should be indulged in by society any more than bigamy, for instance, is never explained. But profitability is a crucial need of economy and society.” (32)

“Über allem keinen gesellschaftlichen Schaden anrichten” klingt vergleichsweise bescheiden gegenüber den aufwändigen Corporate Social Responsibility-Konzepten von heute, „but as the physicians found out long ago, it is not an easy rule to live up to. It’s very modest and self-constraint making it the right rule for the ethics of managers need, the ethics of responsibility”.(33)